Mein Leben war immer

in diesem Viertel

Matthias Heller, Blumen Heller

Die Pfingstrosen hatten vor einigen Jahren ihr Comeback, genauso wie die Schulkamerad*innen und Kindheitsfreund*innen von Matthias Heller. Allmählich sind sie wieder gekommen, zurück nach Ramersdorf. Sie haben in nahen Vierteln gewohnt, in fernen Metropolen, manche waren im Ausland, sogar auf anderen Kontinenten. Nur einer ist die ganze Zeit geblieben: Matthias Heller mit seinem Blumenladen. 

Mit 19 übernahm Heller das Familiengeschäft. „Ich bin quasi im Blumenladen geboren“, sagt Heller mehr als dreißig Jahre später. Er sitzt auf der Veranda seines Ladens, auf edlen Outdoor-Möbeln aus grauem Geflecht, um ihn herum ein Meer aus bunten Blumen und grünen Sträuchern. Den Laden haben seine Eltern 1963 eröffnet, als Baby lag er in seiner Wiege im Binderaum, dort, wo Blumensträuße zusammengestellt und verpackt werden. „Die Kunden haben gehört, wenn ich Hunger hatte. Und ich habe sie gehört, wenn sie gerufen haben“, sagt Heller und lacht, sodass seine hellblauen Augen funkeln. 
 

„Ich beschäftige mich also schon, bevor ich denken konnte, mit Blumen. Das bedeutet aber nicht, dass ich nur verträumt über Wiesen und Wälder streife. Ich fokussiere mich“, sagt Heller. Als Geschäftsmann ist er ein Pionier. Schon 1997 ließ Matthias Heller eine Website für den Blumenladen entwickeln – inklusive Onlineshop. Er achtet auf nachhaltige Verpackungen bei den Sträußen und Pflanzen, um die Umwelt zu schonen. Seine Angestellte hat eine Viertagewoche bei vollem Gehalt – ein Modell, das derzeit von der isländischen Regierung getestet wird. Die Amazon-Prime-Mentalität hätte die Gesellschaft verändert, analysiert Heller. Gewartet werden würde nicht mehr, verfügbar sei alles zu jeder Zeit. Ein Alltag ohne Smartphones, gar nicht mehr vorstellbar.
 

„Ich beschäftige mich also schon, bevor ich denken konnte, mit Blumen" 

Vor dem Laden steht ein Andenken aus längst vergangenen Tagen, eine englische Telefonzelle, silbern statt rot. Ergattert hat sie damals sein Vater, Heller Senior, aus dem Einkaufszentrum Pep. Es sollte ein Gag sein, gerade zu der Zeit, als die Handys in die Hosentaschen wanderten, die Menschen an einem Freitagnachmittag im Blumengeschäft standen und anfingen auf die Displays zu schauen. 

Verändert hätte sich seither viel, doch zur selben Zeit auch wenig. Man müsse aufpassen, dass der Charakter von Ramersdorf erhalten bleibe, nicht zu viele Flächen versiegelt werden würden, die kleinen Einfamilienhäuser bestehen blieben und Luxussanierungen nicht die verdrängen, die hier wohnen und leben wollen. Wenn man Stadtviertel mit Blumensträußen vergleichen würde, dann wäre es klar: man bräuchte nicht nur die edlen Blumen, sondern auch Schleierkraut, sonst wäre es kein gelungener Strauß, meint Heller. „Brautstrauß bleibt Brautstrauß und Ramersdorf bleibt Ramersdorf“, sagt er und lacht.

“Mein Leben war immer in diesem Viertel. Das Blumengeschäft ist mein Leben”

Ramersdorf ist seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Erst war das Geschäft ein paar Straßen weiter, seit etwa drei Jahrzehnten ist es nun in der Jäcklinstraße, in dem Gebäude von einem ehemaligen Haushaltswarengeschäft. Als Kind hat Heller dort Schulhefte gekauft, heute verkauft er pinke Duftrosen und Edelweiß in kleinen Kübeln. „Mein Leben war immer in diesem Viertel. Das Blumengeschäft ist mein Leben“, sagt Heller.

Nur eines würde er sich für Ramersdorf wünschen: Einen echten Ortskern, an dem sich die Bewohner*innen treffen, austauschen und ins Gespräch kommen und so das Viertel weiter verbinden könnten. Denn es würde zwei Teile geben: der eine, der urbanere, belebtere, wäre rund um den Karl-Preis-Platz. Auf der anderen Seite, der dörfliche Teil mit den grünen Vorgärten, wo das Autorauschen der Rosenheimer Sstraße und vom Mittleren Ring nicht mehr zu hören ist. Weniger städtisch wäre dieser Teil, in dem sich sein Blumengeschäft befindet, dafür würde er die Ruhe genießen, genau wie seine Kund*innen.

“Ramersdorf ist stets in Bewegung, auch wenn es manchmal still wirkt”

Jedes Jahr veranstaltet der Blumenladen eine Ausstellung in der Vorweihnachtszeit. In den 2000ern gab es einen besonderen Trend: schwarze Kerzen auf dem Adventskranz. Erst zögerte Heller, denn seine Kund*innen würden den klassischen Schmuck lieben, Rot und Gold, doch der Geschäftsmann wollte es versuchen und sein Mut wurde belohnt. Denn die schwarzen Kerzen kamen gut an. Überrascht hat es Heller schon, aber auch gelehrt: „Ramersdorf ist stets in Bewegung, auch wenn es manchmal still wirkt.“ 

Blumen Heller
Jäcklinstraße 11

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