Das, was wir tun,

ist einmalig, es ist live

Dr. Helmut von Ahnen, FestSpielHaus

Oben stehen die Erinnerungen. Sie haben die Form von riesigen Lebkuchenherzen, Fliegenpilzen oder Hamburgern. „Die Kulisse von Hänsel und Gretel“, sagt Dr. Helmut von Ahnen und hebt behutsam den Plastikburger aus dem Regal. Im Dachgeschoss des FestSpielHauses sammelt sich seine Geschichte, dabei ist es eine neue im Münchner Osten, die sich hinter dem Gebäude mit der blauen Tür verbirgt. 

Bevor das Jugendtheater FestSpielHaus in die Rosenheimer Straße 192 nach Ramersdorf eingezogen ist, hatte das Haus die verschiedensten Aufgaben und Bewohner*innen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es als Hackschnitzel-Heizkraftwerk erbaut, versorgte die Siedlung der stationierten amerikanischen Soldaten mit Wärme, war nach Abzug der Besatzungskräfte eine Hausmeisterzentrale und bot zuletzt geflüchteten Frauen, Kindern und unbegleiteten Jugendlichen eine Herberge. Im Sommer 2018 fingen die Umbauarbeiten an, vor zwei Jahren zog das Theater ein. „Für uns kam Ramersdorf wie ein Wunder“, sagt von Ahnen. 

„Für uns kam Ramersdorf wie ein Wunder“

Davor war das FestSpielHaus in der Quiddestraße in Neuperlach, doch es war immer ein temporäres Zuhause. „Alles war so angelegt, dass wir es zusammenpacken, mitnehmen und umziehen können“, sagt der Theaterleiter von Ahnen. Seit 1974 leitet er die Geschäfte des FestSpielHauses. Entstanden ist die heutige Kultur- und Bildungseinrichtung als provisorisches Jugendheim in Neuperlach. Sie hat sich über die erste Jugendberatungsstelle in München und Oberbayern mit Lager, Proben- und Workshop-Räumen und gemeinsam mit der Berufsfachschule für Theater Yorick zu einem wichtigen Bestand und Schnittstelle der Münchner Kulturszene und Jugendarbeit entwickelt. 
 

Während von Ahnen die Historie schildert, deutet er in seinem Büro auf eine Miniaturversion eines geodätischen Zelts. Es ist das Kuppelzelt Lunatico, ein Projekt im Münchner Ostpark, welches sie zwei Sommer in Folge bespielt haben. Am anderen Regalende steht ein Totenkopf. „Den habe ich im Auge, damit er nicht verloren geht“, sagt von Ahnen. Er erinnere ihn daran, dass alles vergänglich sei, das Leben und selbst das Theater. „Auch wir machen vergängliche Kunst. Ephemere Dinge, die nur vorübergehend sind. Im Augenblick, wo es passiert, passiert es“, sagt er. „Das, was wir tun, ist einmalig, es ist live.“ Nach Ramersdorf ist das FestSpielHaus gekommen, um zu bleiben. „Wir können hier richtig tolle Sachen machen“, sagt von Ahnen. 
 

„Das, was wir tun, ist einmalig, es ist live. Wir können hier richtig tolle Sachen machen“

Geplant ist die Saison schon längst. Das diesjährige Motto: Wilde Zeiten. Der Spielplan gefüllt mit einem abwechslungsreichen Programm: ein Workshop mit Impro-Zheater, ein Drama in der Kaffeepause in der Theaterkantine, der Auftritt des glamourösen Gangster-Pärchens Bonnie & Clyde, die düstere Geschichte von Edgar Allan Poe „Die Maske des roten Todes“ und eine moderne Interpretation des Märchenklassikers Schneewittchen. Die sieben Emaille-Becher für die Zwerge stehen schon als Requisite im Büro bereit, Postkarten zu den Stücken sollen demnächst gedruckt werden. Man merkt, dass Helmut von Ahnen mit seiner Theatertruppe ihr Wunder, das FestSpielHaus in Ramersdorf, endlich in eine Stätte der Kunst, Begegnung und des Theaters verwandeln will für alle, die kommen und etwas erleben wollen.

Der Leiter des Theaters ist einer, der nicht gerne im Rampenlicht steht, doch gibt er Kurse, bei denen er genau das erklärt: Wie trete ich auf die Bühne? Wie nehme ich den Raum für mich ein? Welche Ausstrahlung habe ich vor einem Publikum? Die Workshops sind für Jugendliche und junge Erwachsene von 16 bis 27 Jahren. Sie kommen mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln, aus den verschiedenen Stadtvierteln und aus dem Umland. 

„Wenn Sie herkommen, sollen Sie eine gute Zeit haben“, sagt von Ahnen. Das sei ihm wichtig, ob als Zuschauer*innen oder Teilnehmer*innen. Generationen von Theaterbegeisterten hat von Ahnen kommen und erwachsen werden sehen. Manche sind im kreativen Bereich geblieben, arbeiten als Schauspieler*innen im Residenztheater, beim Volkstheater oder schneidern hinter den Kulissen Kostüme oder bedienen das Licht. Andere hätten einen anderen Weg eingeschlagen, würden jetzt im Landtag sitzen. 

„Wir versuchen, ein Ort der Inspiration zu sein. Wer hier reinkommt, der geht mit irgendwas wieder heraus“

„Wir versuchen, ein Ort der Inspiration zu sein. Wer hier reinkommt, der geht mit irgendwas wieder heraus“, sagt von Ahnen. Was das ist? Das wäre gar nicht so wichtig, denn Kunst und Theater wären etwas Freies. Subjektives. Etwas, was uns unterscheidet, was uns gleichzeitig eint, was uns unterhält. „Das Wort Unterhaltung hat seinen Ursprung im Altfranzösisch – von entretenir“, erklärt von Ahnen. „Unterhaltung ist etwas, was verbindet, denn man fühlt sich gemeinsam unterhalten. Das ist eins der wesentlichen Dinge, die wir anbieten können“, sagt er. 
 

FestSpielHaus
Rosenheimer Str. 192

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