Popkultur trifft auf

Professionalität

Céline Schuster, Radio M94.5

Wenn das Licht leuchtet, dann ist Céline Schuster still. Zumindest dieses Mal, denn nicht sie, sondern ihre Kolleg*innen sind live auf Sendung. Abwechselnd sprechen die Moderator*innen in ihre Mikrophone und haben dabei große Kopfhörer auf. Es geht um den Geschmackssinn von Vögeln. Es wirkt wie ein Gespräch unter Freund*innen. Die grüne Lampe geht aus und plötzlich klatscht sich einer der Moderatoren die Hand an die Stirn. Er ist mit seinem Text durcheinandergekommen, doch wer das Skript nicht kennt, hat nichts gemerkt. Über den Dächern von Ramersdorf trifft Szene und Popkultur auf Motivation und Professionalität. Kleine Pannen inklusive. 

Von einer Gruppe Kommunikationswissenschaftler*innen wurde das Ausbildungsradio M94.5 vor 25 Jahren entwickelt. Seither haben hunderte Medienbegeisterte hier ihre ersten Schritte im Journalismus gemacht, ihre erste Moderation eingesprochen, Interviews geführt oder die eigene Radioshows geplant. Der Sender gehört zur Mediaschool Bayern. Hier werden die Medienprofis von morgen ausgebildet. Zu Gast waren schon internationale Künstler*innen wie Amy Winehouse oder Nationalhelden wie Sportfreunde Stiller - als sie noch eine unbekannte Garagenband aus dem Münchner Umland waren. 

Seit 2015 sind die Räume von M94.5 in einem der Hochhäuser an der Rosenheimer Straße. Mit dem Aufzug geht es ganz nach oben in den vierten Stock. Vor der Tür steht ein Ficus, am Topf klebt ein pinkes Herz. „Bänschamin“ steht darauf geschrieben. Ein paar bunte Luftballons liegen vom Sendergeburtstag am Boden. Das Redaktionsversprechen des Ausbildungssenders „M94.5 – Wir sind anders“ scheint schon, vor der Tür erfüllt zu werden. 

Im langen Flur hängen Polaroids, im Redaktionsbüro Memes, Cartoons, ausgedruckte Fotos von lustigen Abenden. Ein bisschen erinnert der Raum an eine Studierenden-WG. Ein bisschen chaotisch, ein bisschen kreativ, ein bisschen von allem. Es gibt sogar eine Ecke, an der Fotos von Pärchen geheftet sind, die sich beim Sender kennengelernt haben. Wären da nicht die Schreibtische, Computer und Kabel, dann könnte man fast vergessen, dass hier richtig gearbeitet wird. Aber nur fast. Gerade wird hitzig über eine Pressekonferenz diskutiert und über den Wahlkampf der Kanzlerkandidat*innen. Das Team ist mitten in der Planung für den nächsten Nachrichtenblock. 

Schon seit drei Jahren ist Céline Schuster, 21, Teil der Redaktion. Nach ihrem Abitur hat sie angefangen, Kommunikations- und Musikwissenschaft zu studieren. Zu Beginn ihres Studiums war sie noch unschlüssig, was ihr Karriereweg sein wird. Während ihrer ersten Tage auf dem Campus, gab es einen Infostand von M94.5. Seitdem sie in der Redaktion mitarbeitet, ist es ihr klar: Céline will Moderatorin werden. Mittlerweile hat Céline eine leitende Position. Als „Chefin von Dienst“ plant sie Sendungen, nimmt Texte und OnAir-Beiträge ab und hilft ihren Kolleg*innen bei der Themenentwicklung. Die Aufgaben machen ihr Spaß, andere auszubilden und Feedback zu geben, damit sie sich verbessern. „Nur für das Moderieren habe ich als Chefin vom Dienst keine Zeit“, sagt Céline. Deswegen kommt die Studentin zusätzlich zu ihren wöchentlichen Schichten in den Sender, um zu moderieren. Im Sommer ist der Podcast „40 Jahre Oktoberfestattentat“, bei dem sie zusammen mit Thomas Kreidemeier moderiert und das Skript geschrieben hat, mit einem bayerischen Journalismus-Preis ausgezeichnet worden. „Das zeigt, dass wir trotz dieser freundschaftlichen und entspannten Atmosphäre und dem vorwiegenden Ausbildungscharakter, qualitativen Journalismus auf die Beine stellen“, sagt Céline. 

„Über den Dächern von Ramersdorf trifft Szene und Popkultur auf Motivation und Professionalität“

Gerade hat die Redaktion einen Raum in ein Podcast-Studio eingerichtet. Blaues Licht, schwarz abgehangene Wände und grüne Zimmerpflanzen. Noch waren bis auf eine Domina noch keine Gäste zum Interview hier, wegen der Pandemie lief das bisher fast nur über Zoom-Calls oder Telefon. An diesem Morgen sitzt Céline Schuster alleine in dem Studio vor dem Mikrophon. Es ist so cool hier, dass man erwartet, dass jeden Moment Jan Böhmermann reinkommt und sich dazusetzt. Oder wenigstens Olli Schulz. Auffallen würden die Podcaster von „Fest & Flauschig“ aber dann doch. Sie sind zu alt. Die meisten, denen man auf dem Flur begegnet, sind Anfang oder Mitte Zwanzig. Nur wenige sind älter. Sie werden „alte Hasen“ genannt und kratzen gerade erst an der Dreißig. Bald werden sie fertig sein, den Ausbildungssender verlassen und Platz für die neue Generation machen. 

Ehemalige M94.5-Kolleg*innen kommen ab und zu vorbei, besuchen die Redaktion, sind neugierig, wer nun im Studio sitzt oder wie die Musikredaktion aufgebaut ist. Im Flur gibt es eine Wand mit Fotos bekannter Medienprofis des Landes. „Das ist unsere Wall of Fame“, sagt Céline. Da ist Jochen Breyer, Moderator des „Aktuellen Sportstudios“ beim ZDF, Philipp Walulis, Grimmepreisträger 2012, Nina Zimmermann, Preisträgerin des Deutschen Radiopreis 2014 und Lea Kalbhenn, die mittlerweile bei Radio 95.5 Charivari moderiert. Ihre Bilder hängen in goldenen Rahmen. Vielleicht wird in ein paar Jahren eines von Céline dazu kommen.

„Ich bin so oft hier, dass es sich manchmal wirklich wie eine WG anfühlt“

„In der Mittagspause gehen wir oft zusammen ins Werksviertel“, sagt Céline. Es grenzt gleich an Ramersdorf an, etwa fünf Minuten Fußweg. „Dort ist es cool, bunt, alternativ“, sagt Céline und ihre Beschreibung würde auch auf die Redaktion von M94.5 passen. „Ich bin so oft hier, dass es sich manchmal wirklich wie eine WG anfühlt“, sagt Céline. Mit vielen Kolleg*innen ist sie befreundet. Ein WG-Klischee würde aber nicht passen: Streit wegen ungewaschenem Geschirr. „In der Kaffeeküche haben wir eine Spülmaschine“, sagt Céline und lacht.

Ausbildungsradio M94.5
Rosenheimer Str. 145

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